Square Dance macht Spaß und ist inklusiv
Square Dance ist eine gelungene Kombination aus Tanz, Sport und Konzentration zu schwungvoller Musik. Geeignet für Singles und Paare fast jeden Alters. Man muss dafür nicht gut sehen können, deshalb ist für Sehbehinderte und Blinde ein barrierefreies Tanzen. Das habe ich, nach einer langen Zeit ohne Tanz, zufällig erfahren.
Mitte der 90er Jahre war ich in Cornwall im Urlaub. An einem Abend kam der örtliche Square Dance Club, um die Gäste zu unterhalten in mein Hotel. Nach einem eindrucksvollen Showtanz forderten die Tänzer die Gäste zum Mittanzen auf. Mich führte eine nette Tänzerin kollisionsfrei über die Tanzfläche.
Einige Tage später habe ich den Club bei seinem Clubabend besucht und erlebt, wieviel Spaß die Mitglieder miteinander beim Tanzen hatten. Gelernt habe ich an diesem Abend, dass man Square Dance weltweit tanzen kann und dass auch, wenn man keinen festen Tanzpartner hat. An diesem Abend stand für mich fest, dass ich Square Dance lernen will.
Zurück in Köln fand ich die Colonia Swingers e. V. und den Crowns & Flames e. V.. Im Herbst begann ein gemeinsamer Kurs, den ich leider nicht beenden konnte. Wenn ich danach Musik hörte, die mich an die Class erinnerte, konnte ich kaum stillhalten. Im Herbst 2012 konnte ich wieder die Zeit einer Class von circa neun Monaten überblicken. Mit jedem Abend, an dem ich mehr von den 69 Formationen für das Level Mainstream lernte, hat mir das mehr Spaß gemacht. Ende April 2013 hatte meine Class ihre feierliche Graduierung. Dieser besonders schön gestaltete Abend ist zwar mit einer leichten Prüfung verbunden, aber ich habe noch nicht erlebt, dass hier jemand nicht bestanden hätte. Das liegt an den vielen Wiederholungen, bei denen man es zwangsläufig lernt.
Square Dance hat seinen Ursprung in alten europäischen Volkstänzen, die die europäischen Auswanderer mit nach Amerika brachten. Weil die Tänze nicht zusammenpassten, entwickelten sie quasi ein tänzerisches Esperanto. Die Homeposition der jeweils vier Paare auf der Grundlinie eines gedachten Quadrates gab dem Square Dance seinen Namen. Die GI´s brachten diesen dann als Reimport wieder nach Europa zurück. Darum tanzen die Girls heute noch in Petticoat und die Boys in Jeans und Westernhemd. Die schwungvolle Musik zum Tanzen hat immer einen 4/4-Takt und Countrymusik hat nur einen kleinen Anteil daran. Ein sogenannter Caller gibt an welche Formation als nächste getanzt wird. Dieser hat sich eine Choreographie überlegt, die die Tänzer aber nicht kennen. Es gilt also, auf die Ansagen des Callers möglichst schnell und richtig zu reagieren.
Für die Tanzformationen gibt es festgelegte Schrittfolgen und Regeln. So begegnet man sich im Vorbeilaufen immer mit der rechten Schulter. Solange alle acht Tänzer in einem Square keinen Fehler machen, läuft alles gut. Weil man bei den Formationen fast immer zu mindestens einem anderen Tänzer Handkontakt hat, ist die eigene Orientierung und gegebenenfalls die Führung durch einen anderen Tänzer immer gegeben. Deshalb können es auch Blinde problemlos erlernen.
Eine angenehme Begleiterscheinung bei den Square Dancern ist, dass sie weltoffene, gastfreundliche und hilfsbereite Menschen sind. Es ist also kein Problem, Hilfe zu bekommen. Zum Beispiel bei dem Eintrag in Teilnehmerlisten oder Hilfe am Buffet bei gemeinsamen Events.
Zum Clubabend komme ich frühzeitig und halte mich anfangs in der Nähe des Eingangs auf. So bekomme ich bei der Begrüßung mit, wer kommt und kann mich für die ersten Tips verabreden. Das Weitere ergibt sich dann im Laufe des Abends. Außerdem habe ich von Anfang an versucht, möglichst fehlerfrei zu tanzen, um damit mehrere Ziele zu erreichen. Zunächst macht es mehr Spaß, wenn alles klappt und der Square nicht zusammenbricht. Hinzu kommt, dass mir im wörtlichen Sinne der Überblick über den ganzen Square fehlt. Nach einem eigenen Fehler fällt es mir deshalb schwerer, diesen zu reparieren, damit der Square nicht zusammenbricht. Wenn er aber einmal zusammenbricht, dann will ich möglichst selten der Verursacher dafür sein. Das passiert zwar jedem mal und ist auch nicht schlimm, aber etwas normalen Ehrgeiz habe wohl schon. Außerdem gibt es auch beim Square Dance mehr Girls als Boys. Das gegenseitige Auffordern ist beim Square Dance üblich. Wenn man die anderen Tänzer aber nicht richtig erkennen kann, ist das Auffordern nicht ganz so einfach. Meine Überlegung ist deshalb, dass die Girls sehen welche Boys gut tanzen. Ich denke deshalb, dass bei einem guten Tänzer der positive Nebeneffekt zum tragen kommt, dass die Girls ihn eher auffordern als Andere. Den Zusammenhang hat mir so zwar noch kein Girl bestätigt, aber Komplimente zu meiner Tanzqualität habe ich schon mehrfach bekommen.
Außer den Clubabenden gibt es viele Events. Wer will, kann jedes Wochenende unterwegs sein. Wenn man sich rechtzeitig darum kümmert, gibt es Clubmitglieder, die einen mitnehmen können. Die veranstaltenden Clubs machen leider nur selten Angaben zur Anreise, mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mich hält das jedoch nicht ab, denn das ist alles eine Frage der Reisevorbereitung.
Über die Events wird über Faltblätter, die an den Clubabenden ausliegen, und auf den Webseiten der Clubs und des Verbandes informiert. Leider sind diese Infos nicht unbedingt barrierefrei. Aber Square Dancer sind hilfsbereit, man muss sie nur fragen.
Für Sehbehinderte kann es wichtig sein, gute Lichtverhältnisse zu haben, insbesondere wenn diese wie ich, noch sehr visuell orientiert unterwegs sind. Es ist sicherlich möglich, sich vorher zu erkundigen, aber Sehende können das natürlich nicht wirklich beurteilen. Ein gewisses Risiko kann man deshalb nie ausschließen.
Auf meiner barrierefreien Website habe ich weitere Informationen zum Square Dance zusammengestellt: https://stephan-jacobs.koeln/category/square-dance/
Dieser Artikel erschien in einer etwas überarbeiteten Version in der Ausgabe 9/17, der Zeitschrift “Sichtweisen”, des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V.
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